Das Kriegswesen
Das Heer- und Kriegswesen des frühen Mittelalters
Dank der zahlreichen archäologischen Ausgrabungen auf dem Areal der frühmittelalterlichen urbs horsadal können der Umfang wie auch die Bauweise der stadtähnlichen Anlage inzwischen gut rekonstruiert werden. In ihr manifestiert sich die für uns sichtbare Seite des Wehr- und Kriegswesens des 8. bis 11. Jahrhunderts n. Chr. Die Lage und Bauweise der Roßtaler Wehranlage ist hierbei vor allem als architektonische Antwort auf die Kriegs- und Waffentechnik ihrer Zeit zu betrachten.
Zwei Hauptbauphasen kennzeichnen die Wehrmauern der urbs horsadal. Die ältere, aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, markiert die Gründungsphase der Gesamtanlage. Sie wurde sehr wahrscheinlich unter Karl dem Großen errichtet, möglicherweise auf dessen direkte Anordnung. Die zweite Ausbauphase erfolgte mehrere Generationen später in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Möglicherweise veranlasste die sogenannte Burgenordnung Heinrichs I. die Verstärkung der Roßtaler Wehranlage. Als Reaktion auf die vermehrten Einfälle der Ungarn in den damals ostfränkischen Reichsteil versuchte König Heinrich I. das Reich unter anderem mit den in der Burgenordnung festgelegten Maßnahmen für den Kampf gegen die Ungarn zu stärken.
Das Heer der Karolingerzeit
Der lang andauernde Krieg zur Unterwerfung der Sachsen wie auch der Kampf gegen das Reitervolk der Awaren und die Araber nahmen gehörigen Einfluss auf die Bewaffnung und Zusammensetzung des fränkischen Heeres. Die Bewohner der urbs horsadal werden sich aber rasch an den Anblick und den Klang von Hufschlägen beim Eintreffen berittener Einheiten und mit Pfeil und Bogen ausgerüsteter Krieger gewöhnt haben. Einige von ihnen wurden wohl selbst mit der neuen Kampfweise vertraut gemacht.
Schließlich gab es zwischen der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und dem frühen 10. Jahrhundert eine allgemeine Wehrpflicht für den Adel und alle freien Männer. Sie alle mussten selbst für ihre Ausrüstung und Bewaffnung aufkommen. Um einen gewissen Mindeststandard für die Ausrüstung des fränkischen Heeres sicherzustellen, erließ Karl der Große in verschiedenen Kapitularien Anordnungen mit klaren Vorgaben zur Ausstattung der jeweiligen Krieger. So hatten die Großen des Reiches mit Pferd, Schwert, einem sogenannten Sax, Lanze und Schild zur Heerfahrt zu erscheinen.
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Andere Schriftquellen nennen zudem Helm, Panzer und Beinschienen als Teil der Schutzausrüstung. So forderte das sogenannte Aachener Kapitular von den Anführern der Bischöfe, Grafen und Äbte das Tragen von Helm und Brünne. Nach dem Diedenhofener Kapitular war klar festgelegt, welche königlichen Vasallen mit Brünne zum Heereszug antreten mussten. Es galt für alle Vasallen, deren Grundherrschaft aus zwölf oder mehr selbständigen Hofstellen bestand. All den anderen, weniger begüterten Freien wurde auferlegt zu Fuß mit Lanze und Schild sowie mit einem Bogen und zwölf Pfeilen ausgerüstet zu erscheinen. Um die Kriegslast für diesen Teil der Wehrpflichtigen erträglicher zu gestalten, wurde noch unter Karl dem Großen im Jahr 808 festgelegt, dass nur derjenige Freie bewaffnet an der Heeresversammlung teilnehmen muss, der über vier oder mehr funktionsfähige Bauernhöfe verfügt. Die weniger begüterten Freien hatten sich auf Basis der vier Höfe zusammenzuschließen und jeweils einen ausgerüsteten Krieger zu stellen.
Wussten Sie schon…?
Was ist ein Kapitular?
Kapitularien waren ein Herrschaftsinstrument der fränkischen Hausmeier, Könige und Kaiser. Kapitularien sind zumeist in Kapitel gegliederte Verordnungen, Erlasse und Verlautbarungen. Sie hatten vorwiegend administrativen, gesetzgeberischen Charakter. Nicht selten griffen sie auch religiöse Themen auf. Mit Hilfe der Kapitularien versuchten die fränkischen Herrscher ihrem sehr unterschiedlich geprägtes Reich eine Form von Verwaltung zu geben, um es auf diese Weise regieren zu können. Zugleich sollten mit diesem Instrument die unterschiedlichen Schichten des Reiches – die Großvasallen wie auch das einfache Volk – an die zentrale Gewalt des Herrschers gebunden werden. In der Praxis war das Instrument der Kapitularien allerdings nur in Teilen erfolgreich.
Woher kommt der Steigbügel?
Gemessen an der langen Zeit der Nutzung von Pferden als Reittiere tauchen Steigbügel in Europa erst vergleichsweise spät auf. Selbst den Römern waren Steigbügel noch fremd. Erst mit dem Reitervolk der Awaren fanden Steigbügel seit dem 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. den Weg nach Europa. Das Siedlungsgebiet der Awaren befand sich vom 7. bis ins 9. Jahrhundert im Wesentlichen im Karpatenbecken. Ursprünglich waren deren Steigbügel noch rund. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts tauchen schließlich Steigbügel mit geradem Tritt auf; ein Hinweis auf die Verwendung von Reitstiefeln mit harter Sohle. Im Hochmittelalter hatten die Steigbügel Dreiecks- oder Bügelform mit abgesetztem Tritt. Dank der Steigbügel haben Reiter einen besseren Halt auf dem Pferd, was ihnen besonders im Kampf große Vorteile verschafft.
Das Geheimnis des Schildbuckels
Darstellungen von Kriegern des frühen und hohen Mittelalters auf Reliefs, Plastiken oder Malereien zeigen diese oft mit einem runden Schild. In dessen Mitte erhebt sich stets ein eiserner Buckel. Auch in Gräbern mit Waffenbeigabe findet die Archäologie immer wieder solche Buckel. In der Zeit der Karolinger haben diese Schildbuckel oft eine Form, die früheren Zuckerhüten ähnelt. Deshalb werden sie meist als zuckerhutförmiger Schildbuckel bezeichnet. Welchen Zweck hatten sie? Unter dem Schildbuckel befand sich eine auf der Innenseite des Schildes angebrachte eiserne Handhabe. Sie war der Griff, an dem der Schild gehalten wurde. Damit die Handhabe umgriffen werden konnte, war jedoch ein Loch im Schild notwendig. Zum Schutz der Hand des Kriegers benötigte man deshalb den Schildbuckel, der über dieser Öffnung angebracht wurde. Die spitze Form des Buckels könnte wiederum dazu gedient haben ihn dem Gegner ins Gesicht zu stoßen. Er hätte also zugleich als Waffe eingesetzt werden können.
Vergleichen wir die schriftliche Überlieferung mit zeitgenössischen Abbildungen von Kriegern der Karolingerzeit, so bieten diese ein verzerrtes Gesamtbild der Ausstattung der Krieger. Letztere erscheinen auf den Bildern meist besser ausgerüstet als es tatsächlich der Fall gewesen sein wird. Gut erkennbar sind stets die zuckerhutförmigen Schildbuckel im Zentrum der runden Schilde. Steigbügel finden sich schließlich auf Darstellungen aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Erhaltungsbedingt und beeinflusst durch die damaligen Bestattungssitten und andere Rituale liefert auch die Archäologie ein Bild, das die tatsächlichen Verhältnisse nur zum Teil widerspiegelt. So fanden sich bislang in den Gräbern der Bewohner horsadals keine Waffen oder Ausrüstungsteile. Lediglich einige Pfeilspitzen und eine Lanzenspitze sind unter den archäologischen Funden Roßtals vertreten.
Ihrer Ausrüstung entsprechend stellten die einfachen Freien nicht den schlagkräftigen Kern des karolingischen Heeres. Ihnen blieb es vorbehalten, das heimatliche Territorium – defensio patriae – zu verteidigen. Die Teilnahme an den prestigeträchtigen und einträglichen Heerfahrten und Beutezügen blieb hingegen den Eliteeinheiten der ranghohen Krieger, den sogenannten scarae, vorbehalten. Also den größeren Grundherren und deren Kriegergefolge (exercitus), die über 20 bis mehr als 100 Hufen verfügten. Mit dem für die karolingische Reiterei entwickelten Waffenensemble aus schlankerem Schwert, dem runden Schild von 80 cm bis 100 cm Durchmesser und der schweren Flügellanze war die Reiterei in der Lage, rasch in andere Länder vorzustoßen, um Befestigungen zu erstürmen, zu zerstören und zu plündern.
Gegenüber heutigen Armeen erscheinen die Heeresaufgebote der Karolingerzeit als sehr klein. Realistisch veranschlagt werden an einem Heereszug wohl kaum mehr als 5000 bis 6000 Reiter und Krieger zu Fuß teilgenommen haben. Anreisewege wie auch die notwendige Versorgung der Krieger und Pferde dürften es unmöglich gemacht haben, das errechnete potentielle Gesamtaufgebot des Fränkischen Reiches von geschätzt 36 000 Reitern und 100 000 Kriegern zu Fuß für einen Heereszug zu vereinigen und in Marsch zu setzen. In der Regel bestanden Kriegszüge aus einer Abfolge von Belagerungen und Plünderungen. Einheiten von rund 50 Kriegern waren mitunter in der Lage schlachtentscheidende Aktionen durchzuführen.
Ottonisches Heer- und Kriegswesen
Als der König des ostfränkischen Reiches Otto I. am 17. Juni 954 vor den Mauern der nun verstärkten und ausgebauten urbs horsadal erschien, führte er ein Heer mit sich, dessen Bewaffnung sich nicht wesentlich von der zu Zeiten seines karolingischen Amtsvorgängers unterschied.
Dennoch dürfte den Bewohnern der urbs horsadal beim Blick über ihre Mauern eines nicht entgangen sein: Im Heeresaufgebot Ottos I. befand sich mehr schwere Reiterei als sie es noch aus den Erzählungen ihrer Vorfahren über die karolingischen Heere kannten. Dieser Wandel vollzog sich bereits zu Zeiten des Vaters Ottos I., dem ersten ostfränkischen König aus dem Volk der Sachsen, Heinrich I. Seine Bemühungen, das Reich im Kampf gegen die Ungarn zu stärken, beeinflusste auch die Zusammensetzung des Heeres. Das Gewicht wurde mehr und mehr auf die schwer bewaffnete Reiterei gelegt. Eine weitere Maßnahme, mit der die Ungarn dereinst besiegt werden sollten. Sein Sohn Otto I. forcierte diese Entwicklung, indem er seit der Mitte des 10. Jahrhunderts den Ausbau eines noch stärkeren und besser organisierten Reiterheeres betrieb.
Ein knapp drei Jahrzehnte nach der Belagerung der urbs horsadal entstandenes und verfassungsgeschichtlich sehr bedeutendes Dokument, der Indiculus loricatorum spiegelt nicht nur diese Entwicklung wider. Der Indiculus ist ein Verzeichnis eines ergänzenden Heeresaufgebotes an Panzerreitern. Er zeigt jedoch noch etwas anderes sehr Bemerkenswertes. Waren noch unter Karl dem Großen dessen Großvasallen verpflichtet ihm alle ihre Vasallen zum Kriegsdienst abzustellen, so wurde deren Anzahl seit Otto I. genau fixiert und begrenzt. Der Vorteil für beide Seiten, also König und Großvasallen, bestand von nun an darin, dass ersterer wusste, mit welchem Heeresaufgebot er rechnen konnte und für letztere klar definiert war, welche maximale Anzahl an Panzerreitern sie zu stellen hatten. Wie sie diese Anzahl von Panzerreitern beschafften, blieb nun den Großvasallen anheimgestellt. Insgesamt dürften den ottonischen Herrschern mehr als 15 000 schwere Reiter aus den ostfränkischen Reichsteilen nördlich der Alpen zur Verfügung gestanden haben. Insbesondere Franken und Alemannien bildeten hierbei den Kern des verfügbaren Heeresaufgebotes, da diese Gebiete weniger mit der eigenen Grenzsicherung belastet waren als andere. Der Aufstand des schwäbischen Herzogs Liudolf gegen seinen Vater Otto I. traf den deutschen König daher schwer in seiner Machtstellung. Denn damit war ihm der Zugriff auf Schwaben verwehrt, während Franken infolge der zeitgleichen Ungarneinfälle verwüstet wurde.
Wussten Sie schon…?
Helm oder Hut?
Häufig wurden die Krieger mit Kopfbedeckung dargestellt. Je nach ihrer Form stellt sich die Frage, aus welchem Material die Kappen waren. Ist die Kappe rundlich-gewölbt und verfügt gegebenenfalls über einen abgesetzten Rand oder einen Knopf als Abschluss, dann könnte sie aus Eisen oder Leder bestanden haben. Ebenso, wenn vier schmale Bänder über die Wölbung der Kappe ziehen, die oben mittels eines Knopfes zusammengefasst sind. Verfügt die Kopfbedeckung jedoch über eine nach Vorne gezogene Spitze, ähnlich einer phrygischen Mütze, dann bestand sie sehr wahrscheinlich aus Wollstoff.
Was ist ein Sax?
Als Sax (althochdeutsch „sahs“) werden in der Archäologie gemeinhin einschneidige Hiebmesser, oder in etwas größerer Form Hiebschwerter bezeichnet. Sie waren bereits bei den germanischen Stämmen der Völkerwanderungszeit in Gebrauch. Als Grabbeigaben werden sie je nach Ausprägung als Kurz-, Lang- oder Breitsax benannt. Möglicherweise erhielten auch die Sachsen (= die Schwerttragenden) ihren Namen infolge des Gebrauchs dieser Waffe.
Spatha, Schwert – oder was?
Nach Plutarch kämpften schon die Kimbern und Teutonen mit Spathae. Später stellte Tacitus dem „gladius“ und „pilum“ der Legionäre die „spatha“ und „hasta“ der barbarischen Hilfstruppen gegenüber. Die im Durchschnitt 90 cm lange, zweischneidige Spatha war sowohl zum Hieb als auch zum Stoß geeignet. Unter anderem wegen der Verarbeitung ihrer Klingen war sie die wertvollste der damaligen Waffen. Es gibt Exemplare mit homogener Metallstruktur aber auch damaszierte Klingen. Bei Letzteren wurden besonders harter Stahl mit weichem, elastischem Stahl kombiniert. Ziel war es, eine biegsame Klinge mit harten Schneiden zu erhalten. Ebenso aufwendig konnten die Griffe und Knäufe der Spathae angefertigt sein. Wegen ihres Wertes waren Spathae den hochgestellten Personen vorbehalten. Aus der Spatha entwickelte sich bis zum hohen Mittelalter das klassische Schwert mit deutlich ausgeprägter Parierstange.
Von Ludwig dem Deutschen wird berichtet, dass er eine von Normannen als Gastgeschenk überreichte Spatha auf seine Qualität prüfte, indem er deren Klinge bis zum Griff zurückbog und losließ. Daraufhin schnellte die Klinge in ihre ursprüngliche Position zurück.
Das Heer der Karolingerzeit – Das Heer der Franken
Freie Bürger und adelige Männer mussten im Heer kämpfen. Ihre Ausrüstung, Rüstung und Waffen, mussten sie auch selbst mitbringen. Dafür gab es Regeln. Die einfachen Freien, die Krieger wurden, mussten das Gebiet zu Hause verteidigen. Für die Kämpfe weiter weg, bei denen es auch Beute zu holen gab, gab es Spezialeinheiten, die aus den reicheren Männern bestanden. Es waren Heere, die über 20 bis mehr als 100 Pferde verfügten. Für die Reiter wurden in der Karolingerzeit extra Waffen entwickelt: ein schlankeres Schwert, ein rundes Schild (ungefähr so groß wie ein aufgespannter Regenschirm) und eine schwere Flügellanze. Mit dieser Ausrüstung konnte das Heer schnell in andere Länder vorstoßen und Befestigungen erstürmen, zerstören und plündern.
Das Heer von Otto I.
Otto I. griff im Jahr 954 Roßtal an. Sein Heer war ähnlich wie das karolingische Heer der Franken. Jedoch hatte es mehr schwere Reiter. Das war neu für die Roßtaler. Schon der Vater von Otto I. hatte mehr Reiter in sein Heer aufgenommen, um besser gegen die Ungarn kämpfen zu können. Otto der 1. hatte die Reiterei noch weiter vergrößert.